Ein Roman kommt selten allein
Begegnungen mit Literatur sind ein fester Bestandteil jeder (Bildungs-) Biographie - auch heute noch.
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Ein Roman kommt selten allein (MI, 29. Mai 2024)
Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die gerne und freiwillig Literatur lesen, unabhängig davon, welches Genre und ganz egal, ob in den Ferien, im Urlaub, an der Bushaltestelle oder in den Schulpausen, diejenigen empfinden Literatur als eine unglaubliche Bereicherung. Literatur erlaubt, in fiktive Welten einzutauchen, Figuren auf ihrem Weg zu begleiten, mit ihnen zu fiebern, zu trauern und sich mit ihnen zu freuen.
Gute Literatur, die begeistert, packt, manchmal sogar einen bleibenden Eindruck hinterlässt und im Idealfall Lust auf mehr macht, ist meist kein Zufallsprodukt. Ausgezeichnete Literatur ist i. d. R. das Resultat langer und umsichtiger Denk- und Schreibarbeit. Und wenn Autorinnen und Autoren am Ende ihres Schaffensprozesses Werke vorlegen, die die Leserschaft gerne und viel konsumiert und würdigt, zeugt das von Begabung, Vorstellungskraft, einem Gespür für das große, stimmige Ganze und ganz viel Geschick.
So eine talentierte, produktive und obendrein buchstäblich ausgezeichnete Autorin stattete unseren Zehntklässlerinnen und Zehntklässlern trotz ihres vollen Terminkalanders am 30.04.2024 einen Besuch in der Aula ab.
Frau Elisabeth Herrmann, die mittlerweile in der Region lebt, ist nicht nur Kriminalromanautorin, sondern auch Autorin von Drehbüchern und Hörspielen. Sie erhielt u. a. den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Friedrich-Glauser-Preis für den besten Jugendkrimi 2023. Nahezu alle ihre Romane sind bereits oder werden verfilmt.
Der für die Lesung ausgesuchte „Nordic All-Age Thriller“ namens „Ravna“ ist ein aus mehreren Fortsetzungen bestehender Roman, der im ausgewählten Band selbstverständlich auch einen Mord thematisiert, denn die fiktiven Morde in Frau Herrmanns Werken gehören zu den „schönsten Morden“ schlechthin.
Doch bevor die eigentliche Lesung begann, stellte die Autorin nach einer kurzen Anmoderation in sehr authentischer und kurzweiliger Weise ihren Werdegang vor und gewährte spannende Einblicke in die Mühen und Freude des Romanschreibens sowie der beruflichen Selbstständigkeit. Die ersten Schülerinnen und Schüler trauten sich bereits, Fragen zu stellen, und so ergaben sich vor dem eigentlichen Höhepunkt interessante Erkenntnisse in einer angenehm-entspannten Atmosphäre, die zum aufmerksamen Lauschen einlud.
Ravna, so setzte Frau Herrmann fort, ist die jugendliche Hauptprotagonistin der gleichnamigen Romanreihe und absolviert ein Praktikum an einer örtlichen Polizeidienststelle in Vardø, Norwegen. Doch der Umstand, dass sie eine Frau ist und der Minderheit eines indigenen Volkes angehört, macht ihren Start nicht einfach und obwohl das Mädchen wertvolles Wissen mitbringt, muss sie sich in einer ihr fremden Domäne erst behaupten.
Frau Herrmanns Entscheidung, aus verschiedenen Passagen des Romans vorzulesen und diese zum Verständnis zwischendurch kurz zu kommentieren, kam beim jungen Publikum gut an. Dass sie eine besonders erfahrene Leserin ist, machte sich vor allem am gekonnten Einsatz von Stimme, Gestik, Blickkontakt und Betonung bemerkbar. So wurden die jeweiligen Figuren im Roman nicht nur zum Leben erweckt, sondern auch ihre Kommunikation wirkte viel lebendiger und die Handlung selbst um einiges dynamischer.
Wir Anwesenden bekamen einen weiteren Eindruck davon, was eine gute Lesung ausmacht und vor allem, warum noch so gut geschriebene Worte in vorgelesen-vorgetragener Weise durch die Schöpferin selbst jede individuelle Fantasie übersteigen, auf jeden Fall ergänzen können. Das
ist - neben der Möglichkeit, Fragen aus erster Hand beantwortet zu bekommen - der eigentliche Mehrwert von Lesungen.
Im Anschluss an die wirkungsvoll vorgelesenen Passagen erfolgte eine weitere Fragerunde, in der sich zahlreiche Schülerinnen und Schüler zu Wort meldeten. Die gestellten Fragen zeugten nicht nur vom genauen Hinhören während der Lesung, sondern in erster Linie vom geweckten Interesse an der Person und ihrem Beruf. Frau Herrmanns Freude am regen Austausch war deutlich spürbar und sie lobte die Schülerinnen und Schüler für ihre gut durchdachten und klugen Fragen sowie ihre Aufmerksamkeit. Diese bedankten sich wiederum mit einem Applaus für die Lesung und die vielen gewonnen Erkenntnisse. Es entstand der Eindruck, dass Frau Herrmann an dem Tag den einen oder anderen Fan gewonnen haben könnte, vor allem aber zeigten die Neugier und Aufmerksamkeit während der Veranstaltung, dass Jugendliche auch im Zeitalter von Digitalisierung und allgemein schwächelndem Leseinteresse durch ansprechende Veranstaltungen für Literatur und Lesen empfänglich sind und Impulse aktiv verarbeiten.
Diese Erkenntnis macht zuversichtlich, denn ein weiteres Ziel der Veranstaltung lag darin, diejenigen Schülerinnen und Schüler, die eher weniger gern und freiwillig Literatur lesen, neugierig zu machen, ein wenig aus der Reserve zu locken.
Frau Herrmann leistete bereits durch ihre gelungene Lesung wunderbare Arbeit.
In der Aula befanden sich neben ihrem Tisch auf einem zweiten sechs Jugendbücher, die beworben wurden und jenseits des Schulunterrichts und von Prüfungsthemen jeder Person die Möglichkeit bieten, sich in die jeweils geschaffene, fiktive Welt der Autorinnen und Autoren entführen zu lassen und diese zu erkunden. Die meisten Romane sind preisgekrönt, für den Jugendliteraturpreis nominiert oder könnten es noch werden. Sie alle vereint, dass sie die Kriterien guter Literatur erfüllen. Alle haben einen Lebensweltbezug, sind aktuell, spannend, originell, witzig, wecken Emotionen und regen zum Nachdenken an.
Laut Auskunft von Frau Kumberg, unserer Schulsozialarbeiterin, in deren Büro die Romane ausgeliehen werden können, sind die ersten bereits vergriffen.
Zum Schluss gilt der Dank Frau Herrmann nicht nur für ihre Lesung, sondern auch ihre Großzügigkeit. Dank ihres Verzichtes auf ein Honorar und mit Unterstützung des Fördervereins der Schule konnten die o. g. Romane erworben und den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden.
Ein weiterer Dank gilt Frau Liese, die die Korrespondenz herstellte und stets eine verlässliche und engagierte Ansprechpartnerin ist.
Text: Frau A. Jankovic
Bilder: Frau C. Liese
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