Geschichte zwischen Grotesk-Komischem und Unvorstellbarem

Adolf Hitler hält die politische Grundlage seiner neuen Bewegung - Mein Kampf- fest in Händen
Adolf Hitler hat dem Juden  Schlomo Herzl (links im Bild) seinen politischen Aufstieg zu verdanken
Der Charakter Adolf Hitlers wird in meinem Spagat zwischen absurd-komisch und wahnsinnig verrückt von Jörg Vogel eindrucksvoll inszeniert.

Im Luckauer „Capitol“ ist jüngst das Theaterstück „Mein Kampf“ von George Tabori aufgeführt worden. Es versucht eine Brücke zwischen schwarzen Humor und Unbeschreiblichen zu schlagen.

Luckau Die Schrecken des Holocaust beziehungsweise der Shoa nachvollziehen zu können ist eine Herausforderung bis Unmöglichkeit bis in unsere heutigen Tage. Warum sogar unmöglich? Die zielgerichtete Ermordung von circa sechs Millionen Menschen bleibt selbst bei Kenntnis der genauesten historischen Fakten und Hintergründe unbeschreiblich. Es besteht hierbei nur die Möglichkeit sich dem Unvorstellbaren anzunähern.

Den Versuch dieses Unbeschreibliche verständlicher zu machen, unternimmt der Regisseur Andreas Hueck mit seiner Inszenierung von George Taboris „Mein Kampf“. Schon der Handlungsrahmen wirkt mehr als grotesk: Wir schreiben das Jahr 1910. Adolf Hitler kommt nach Wien um Kunst zu studieren und trifft in einem Nachtasyl auf die Juden Schlomo Herzl und dem Koch Lobkowitz. Zu diesem Zeitpunkt sind bei Hitler nur leichte Züge des später zutiefst ausgeprägten Antisemitismus vorhanden. Doch bei den Juden Herzl und Lobkowitz wird Hitler dennoch herzlich aufgenommen.

Das Besondere an dem Theaterstück wie auch der Inszenierung ist der Spagat zwischen schwarzen Humor und Ernsthaftigkeit. Dieser spiegelt sich letztendlich in der Figur des Adolf Hitler (gespielt von Jörg Vogel). Hitler erscheint zuerst keineswegs als wahnsinniges Monster. Nein! – Er zeigt sogar sympathische bis urkomische Charakterzüge auf, wenn er beispielsweise mit seiner zweiten großen Leidenschaft, dem Singen, als Bariton auftritt und die komplette Bühne zum Singen und Toben bringt. Urkomisch wird es, als Hitler seine Kritzeleien seiner erhofften Künstlerkarriere den Mitbewohnern des Männerasyls wie auch dem Publikum präsentiert. Man will sich aufgrund der Ernsthaftigkeit der Thematik des Öfteren das Lachen verkneifen. Dabei ist es laut Regisseur Andreas Hueck gerade dieser jüdische schwarze Humor mit der unbeschreiblichen Vergangenheit umzugehen und diese zu verarbeiten.

Ergänzt wird die Handlung durch eingeschobene Szenen der Schüler des Bohnstedt-Gymnasiums Luckaus. Sie agieren als eine Art Kommentatoren des damaligen Geschehens aus der heutigen Perspektive. Im Rahmen einer Projektwoche erarbeiteten sich die Schüler zusammen mit den Schauspielern der Potsdamer Theatergruppe „Poetenpack“ das betreffende Theaterstück „Mein Kampf“ und bereichern es während der Aufführung durch eigene Eindrücke und Beiträge. Hierin liegt letztlich auch die bedeutende Chance des lebendigen Umgangs mit der Geschichte in Form des Theaterstücks: Das Geschehene in eigene Worte zu fassen und nachvollziehbar werden zu lassen.

Schließlich entwickelt sich Adolf Hitler während der Handlung vom wahnwitzigen erfolglosen Künstler, mit dem man zu Beginn fast noch Mitleid aufgrund seiner unbedarft-schrulligen Art hat, zum wahnsinnigen Antisemiten. Dabei wirkt besonders grotesk, dass es Schlomo Herzl selbst ist, der Hitler, im guten Willen ihn zu unterstützen, zur Politikerkarriere ermuntert und ihm den Titel seines Werkes „Mein Kampf“ für eigene Zwecke überlässt.

Die grotesk-komischen Züge der Inszenierung nehmen parallel und kontinuierlich zur Bewusstwerdung des Antisemiten Hitler ab. Schließlich liegt Herzl selbst, wie zuvor Hitler, verzweifelt am Boden – Hitler erscheint mit dem gestohlenen Werk „Mein Kampf“, welches er nun mit eigenen antisemitischen Gedankengut füllt, als Sieger, obwohl er eigentlich dem Zutun Herzls und Lobkowitz alles verdankt. Zum Ende des Stückes sind beide von Hitler und Bewegung an die Seite gedrängt – das Schicksal der jüdischen Gemeinschaft wird in Form einer beschriebenen Schlachtbank angedeutet.

Um das Unfassbare begreiflich zu machen, muss man sich aktiv auch in unseren Tagen mit der Geschichte beschäftigen. Einen solchen Beitrag haben die Schüler des Bohnstedt-Gymnasiums Luckau zusammen mit der Theatergruppe „Poetenpack“ geleistet. Ihre Gedanken zur Thematik haben sie ihren Mitschülern, die die Inszenierung ebenfalls besuchten, mit auf dem Weg gegeben. Im Geschichtsunterricht soll der Umgang mit dem Theaterstück nochmals entsprechend ausgewertet werden.

Philipp Brendel

 

Die Potsdamer Theatergruppe - Theaterpack - und die Schüler des Bohnstedt-Gymnasiums genießen den gebührenden Applaus durch das Publikum 1
Hitler steigt im Laufe der Handlung zum Anführer der antisemitischen Bewegung auf